Donnerstag, 17. Dezember 2009

"Naturprodukte" im Mumien-Kontext

In der Mumien-Ausstellung erfährt man, dass Balsamierungsrückständen von ägyptischen Mumien eine besondere Heilwirkung zugesprochen wurde und dass dies auch Eingang in die abendländische Medizin gefunden hat. Wie sich die Balsamierungssubstanzen zusammensetzten, verraten bereits im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit etliche medizinische Abhandlungen, wenn auch vielfach spekulativ. Fakt ist, dass neben Erdwachs bestimmte Pflanzen und Kräuter eine Rolle spielten, unter anderem Myrrhe und Safran. Eine derart vielseitig zusammengesetzte Substanz befindet sich auch im Innern des aus Ägypten stammenden Oberschädelfragments, wie er im Hintergrund der unten integrierten Abb. 1 zu sehen ist. Bei den Mumien aus Europa spielen derartige "Naturprodukte" gar keine bzw. eine ganz andere Rolle. Beispielsweise dienten die in den Särgen der Mumien aus Riesa erkennbaren Pflanzen und Kräuter zur Eindämmung des Verwesungsgeruchs (z. B. Gewürznelken) oder symbolisierten 'Ewigkeit/Unsterblichkeit' (z. B. der immergrüne Buchsbaum) oder aber bedeuteten 'Treue' und 'Tugendhaftigkeit' (z. B. Myrthe). Das in den Särgen teils erkennbare Stroh diente dagegen lediglich als Material zur Bettung des Leichnams und zum Aufsaugen von Leichenflüssigkeit.


Abb. 1. "Ägyptische" Balsamierungssubstanzen: z. B. Asphalt, Safran, Myrrhe
Abb. 2. Mumie aus Riesa mit Gewürznelken im Bereich der Unterarme

Dienstag, 8. Dezember 2009

Was macht eine Lübecker Tiermumie zwischen ägyptischen Tiermumien?



Dass im Museum für Sepulkralkultur eine Lübecker Tiermumie direkt neben einigen ägyptischen Tiermumien liegt, muss als eine Art Exkurs verstanden werden und ist gestalterisch auch so gekennzeichnet. Der Vergleich verweist auf den unterschiedlichen Bedeutungszusammenhang je nach kultureller Herkunft sowie auf unterschiedliche Formen der Mumifizierung. Die ägyptischen Beispiele sind ein Sinnbild für die besondere Ehrerweisung gegenüber verschiedenen Tieren, weil diese mit bestimmten Gottheiten in Verbindung gebracht wurden. Entsprechend handelt es sich um eine intendierte Mumifizierung als wesentlicher Bestandteil des altägyptischen Totenkults. Die Lübecker Tiermumie ist hingegen ein "Zufallsprodukt" und gehört in den Kontext einstigen Aber- bzw. Volksglaubens. Die in einer kleinen verzierten Spanschachtel - eine Art Miniatursarg - liegende Vogelmumie wurde 1710 neben weiteren Särglein unter dem Fußboden des Gesellschaftshauses der Lübecker Schonenfahrer gefunden. Wahrscheinlich handelt es sich bei den Funden um sog. Bauopfer, wie sie früher immer mal wieder unter Fußböden oder ins Mauerwerk eingebracht wurden, um ein Haus und seine Bewohner vor Unheil zu schützen. Tiere verwendete man im Rahmen kultischer Handlungen anstelle des Menschen als Opfergaben.